Ebow – Canê

Wer Ebow noch nicht kennt, an dem ist eine starke Künstlerin mit Attitüde vorbei gegangen. 2019 schrieb sie mit „K4L“, kurz für „Kanak for Life“ eine Banger. Wie der Tagesspiegel zurecht richtig formuliert:

Eine Selbstermächtigungshymne, die sich den rassistischen Ausdruck aneignet und umdeutet.

Das kennt man im Rap – eine Methode, welche auch N.W.A in ihrem Bandnamen anwenden und versuchen das N-Wort aus ihrer Sicht positiv zu besetzen. So weit so Rap-Geschichte.

Ebow erzählt die Selbstermächtigung weiter. Mit ihrem am Freitag erschienen Album „Canê“ legt sie nochmal einen drauf. In der Opener „Dersim62“ hämmert dem Hörer die Bass Drum die Parolen und Forderungen der Deutschen mit kurdischen Wurzeln in den Gehörgang. Dersim-Aufstand war nach der Niederschlagung des Scheich-Said-Aufstands der letzte große Kurdenaufstand in der Türkei. Die Zahl 62 ist wahrscheinlich das Jahr in dem die Großeltern von Ebow nach Deutschland emigrierten. 

Die Zeile: „Wurzel tief wie die Bäume“ bleibt bei mir hängen. Im Track geht es aber nicht nur um die Belange der Kurden sondern auch um andere Missstände.

In „Araba“ (türk. für Auto) gibt sie den lesbischen Proleten in feinster Battlerap-Manier und zeigt, wie gut sie flown kann. Hätte ich ein Auto, er würde bei mir laut gespielt werden. In „Prada Bag“ monologisiert sie darüber, wie Rap und Kapitalismus Migras ausspielen, adaptieren und nicht akzeptieren. Die Vortragsweise hat mich an Gil Scott-Heron „Revolution Will Not Be Televised“ erinnert.

Darauf folgt der erste Track mit einem Feature: Balbina gibt in „Excalibur“ ihre Harmonien in der Hook dazu. Das mystische Schwert Artus wird hier als Metapher für Identifikationskampf und Struggle von allen Migras, mit dem Anspruch auf einer Gleichberechtigung in der deutschen Gesellschaft bemüht.

Als weißer hetro-cis Mann, kann ich die Kämpfe und Erfahrungen aller queeren und migrantischen Menschen nicht persönlich nachvollziehen. 

Was ich aber kann ist: Zuhören. Verstehen. Den Schmerz nachempfinden.

Ich bin mit meiner Sozialisation im Hip-Hop und dem sprachlichen Medium Rap so dankbar, dass mir immer wieder die sozialen Unterschiede hörbar/sichtbar vorgetragen werden. Ebow hat mir mit diesem Album wieder neue Ansichten gezeigt. Manchmal in der Manier von Audio88, manchmal wie Missy Elliot. Kurze Tracks mit harten Ansagen folgen längere Stories mit vielen persönlichen Erzählungen.

Diese 10 Songs verdienen so viel mehr Aufmerksamkeit, weil sie vor Intelligenz, Melancholie, Sprachgewaltigkeit, Kredibilität und Authentizität strotzen. Deutschrap braucht mehr Musik mit aufklärerischen Gedanken und Worten!

Danke Ebow.

Autor: @Gold.Dende